Stigmatisierung

Quelle: Adipositasnetzwerk RLP e.V.

„Undiszipliniert, willensschwach, unästhetisch...“ 
Fettleibige Menschen kämpfen nicht nur gegen ihre überfl üssigen Pfunde, sondern auch gegen Vorurteile. Soziale Ausgrenzung und Mobbingerleben von Übergewichtigen sind ein weit verbreitetes Phänomen und beginnen bereits im Kindesalter. Dabei sind fast alle Schuldzuweisungen, die dicke Menschen für ihr Übergewicht erhalten, zwischenzeitlich verhaltenspsychologisch und neurobiologisch widerlegt oder neu bewertet.

Was bedeutet Stigmatisierung?
Unter Stigmatisierung versteht man unüberprüfte, diffamierende und abwertende Zuweisungen von negativen Eigenschaften aufgrund von Äußerlichkeiten wie Nasenlänge, Hautfarbe oder Alter, aber auch aufgrund der Religionszugehörigkeit, Parteienzugehörigkeit oder sexueller Orientierung.
Die häufigste Ursache für Stigmatisierung in unserer Gesellschaft ist das Körpergewicht, das Dicksein. 

 

 

In der wissenschaftlichen Literatur sind häufig genannte stigmatisierende Abwertungen für dicke Menschen: Sie leben ungesund, sie haben eine schlechte Figur und sind unattraktiv, sind willensschwach, sind unkontrolliert, sind dumm, sind maßlos, haben eine schlechte Selbstkontrolle, sind faul und langsam.
Nichts von dem trifft dabei für Adipöse häufiger als für Normalgewichtige oder Untergewichtige zu.
Stigmatisierung beginnt im frühen Kindesalter Stigmatisierende Einstellungen entwickeln sich in der Regel nicht erst im 
Erwachsenalter - sie werden sehr früh in der Kindheit übernommen und unrefl ektiert und unkontrolliert in den Denkapparat abgespeichert. Untersuchungen zeigen, dass bereits Kindergartenkinder stigmatisierende Bewertungen gegenüber dicken Kindern verinnerlicht haben, die sich auf Persönlichkeitseigenschaften beziehen, obwohl die Kinder diese Eigenschaften noch 
gar nicht defi nieren können.

In welchen Lebensbereichen findet Stigmatisierung statt?

Im Berufsleben, an Ausbildungsstätten, in Schule und Kinderbetreuungseinrichtungen, in den Medien, im Gesundheitswesen, in zwischenmenschliche Beziehungen, in Freizeiteinrichtungen, in alltäglichen Lebensbereichen... 

Wer stigmatisiert?
Familienmitglieder, Medien, Gesundheitsexperten, Kollegen, Mitschüler, Lehrer, Erzieher, Freunde, Beziehungspartner, Arbeitgeber, 
Kollegen.… (weibliche und männliche)

Wie äußert sich die soziale Ablehnung?
Durch soziale Ausgrenzung und Mobbing. Die Formen sind vielfältig: durch subtiles Gesichtverziehen, Anstarren, beleidigende Äußerungen, Lästern, körperliche Attacken, in der Benachteiligung durch schlechtere Kundenbetreuung im Einzelhandel, durch geringere Chancen bei der Wohnungssuche oder Jobsuche. Aber auch physische Barrieren grenzen aus, wie zu enge Sitzmöbel im Kino, im Restaurant, zu enge Umkleidekabinen in Sportstudios, Schwimmbädern oder in Bekleidungsgeschäften.

Stimmt meine schnelle Einschätzung?
Stigmatisierungen sind meist unterbewusst oder vorbewusst, sie drängen sich in die Gedankenwelt, selbst wenn ein Mensch es eigentlich besser weiß oder besser wissen sollte.
Davor sind auch die Experten im Gesundheitswesen nicht gefeit. So waren zum Beispiel 2016 einer Umfrage unter Hausärzten und Internisten zufolge, 58 Prozent der befragten Ärzte der (falschen) Ansicht, dass Übergewicht aus mangelnder Disziplin und Bequemlichkeit resultiere.
Um stigmatisierendes Denken zu entlarven, hilft es immer wieder in die rationale Kontrolle zu gehen, sich bewusst zu fragen, stimmt diese Zuweisung, die ich gerade gedanklich mache, hier für diesen Menschen tatsächlich.

Stigmatisierung fördert Übergewicht!
Was „Dicken“ an schlechten Eigenschaften schnell zugeschrieben wird, findet auch Eingang in die Selbstbewertung der adipösen Menschen. Dann spricht man von Selbststigmatisierung. Diese führt zu einer besonderen psychischen Belastung, blockiert eine gesunde Auseinandersetzung mit der Erkrankung und somit die Veränderungsfähigkeit zu einem gesunden Lebensstil. Neuere Studien belegen einen Teufelskreislauf aus Stigmatisierung, sozialem Rückzug, Stressreaktion, Stoffwechselveränderung, Neigung zu emotionalem Essen und weiterer Gewichtszunahme.

Iss weniger – beweg‘ dich mehr!
Die Ursachen für Übergewicht und Adipositas sind wesentlich komplexer als die Reduzierung auf „zu viel Essen und zu wenig Bewegung“.
Mangelndes Wissen über die neueren Forschungsergebnisse zu hormonellen, neurobiologischen, bio- und sozialgenetischen Bedingungen, zu individuellen Stoffwechselbedingungen und Lebensstilfaktoren, über die Auswirkungen veränderter Nahrungsmittelherstellung, Auswirkungen der Werbung - dieser Mix erhält Vorurteile dauerhaft aufrecht.

Passt nicht?
Adipöse Menschen können so sein wie alle anderen: fleißig, willensstark, attraktiv, schnell, ausdauernd, aktiv, stark, maßvoll, gesund, sicher, selbstbewußt, eine gute Figur und gute Selbstkontrolle haben 
Passt doch !

Texte: 
Jutta Bergs, Dipl. Psychologin &
Dr. med. Gabriele von der Weiden

Quelle: "Broschüre Stigmatisierung"

Geschäftsstelle Adipositasnetzwerk RLP e.V.

Mühlweg 3,
66887 Glanbrücken
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